Laurent Seksik: Vorgefühl der nahen Nacht

Romane über Schriftsteller haben derzeit Hochkonjunktur. Der 1962 geborene französische Autor Laurent Seksik beschwört in seinem Roman „Vorgefühl der nahen Nacht“ die letzen Tage Stefan Zweigs (Les derniers jours de Stefan Zweig) –so der der französische Originaltitel- und führt den Leser durch die letzten sechs Monate im Leben des Österreichers bis zu seinem selbst gewählten Tod.

In einer geschickten Mischung aus Fakten und Fiktion gewährt Laurent Seksik einen Einblick in Lebens- und Gedankenwelt, des zu dieser Zeit meistgelesenen Schriftstellers der Welt. Doch in seiner Heimat wird Zweig nicht mehr gelesen, seine Bücher wurden von den Nationalsozialisten verbrannt und seine neuen Werke erscheinen nicht mehr in seiner Muttersprache.

Im September 1941 betritt Zweig mit seiner dreißig Jahre jüngeren zweiten Ehefrau Lotte Altmann brasilianischen Boden, um nach langen Jahren der Flucht vor den Schrecken des Nationalsozialismus in der alten Kaiserstadt Petrópolis, 60 Kilometer von Rio de Janeiro entfernt, Ruhe zu finden und sich wieder auf seine schriftstellerische Tätigkeit zu konzentrieren und eine Balzac-Biographie zu beenden. Auch hofft das Ehepaar Zweig, dass Lotte, die an schwerem Asthma leidet, durch die klimatische Veränderung genesen werde.

Doch die Geister der Vergangenheit holen den schlaflosen Stefan Zweig ein. Laurent Seksik vermischt geschickt das alltägliche Leben der Zweigs mit Erinnerungen an die geliebte österreichische Heimat und Phantasmagorien Zweigs, die ein Gespräch mit seinem Freund Joseph Roth, eine postume Begegnung mit seiner Mutter, sowie den Einmarsch der Nationalsozialisten in Rio de Janeiro, einschließen. Auch die Beziehung zu Lotte ist durch seine Sehnsucht nach seiner ersten Ehefrau Friderike und der damit verbundenen Eifersucht Lottes gestört. Zweigs Gemütszustand mündet in einer Schaffenskrise und Lebensmüdigkeit. Er fühlt sich aus Furcht vor den Konsequenzen auch nicht in der Lage als bekannter Literat gegen die Nationalsozialisten das Wort zu ergreifen und erwehrt sich dem Werben anderer Emigranten wie Georges Bernanos. Auch die von Lotte Zweig freudig überbrachte Nachricht vom  Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg gegen Deutschland kann Stefan Zweig nicht mehr von seinem längst gefassten Plan, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, abbringen. Der Einmarsch der Japaner in Singapur nimmt ihm die letzte Hoffnung. Auch Lotte folgt dem Entschluss ihres vergötterten Gatten auf den letzten Weg als Widergängerin Henriette Vogels, die –zwar nicht Frau seines Lebens-  Heinrich v. Kleist als Gefährtin in die Ewigkeit folgte.

Anfangs ist Laurent Seksiks biographischer Roman durchaus inspirierend, doch nach längerer Lektüre verstrickt sich der Autor zusehends in langatmige phantasmagorische Dialoge, spröde Selbstkommentare und seitenlange Hommagen Zweigs an Thomas Mann, Johann Wolgang v. Goethe und Honoré de Balzac. Darüber verliert sich leider der Erzählstrang, der immerhin einen Zeitraum von sechs Monaten vom September 1941 bis zum Februar 1942 umfasst, in denen sich der Protagonist melancholisch, aber elegant, um sich selbst dreht und seinem unausweichlichen Schicksal entgegen steuert.

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